United Airlines mit PR-Desaster: So behandelt man keine zahlenden Kunden

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United Airlines mit einem weiteren PR-Desaster. (Foto: Stockunlimited)
United Airlines mit einem weiteren PR-Desaster. (Foto: Stockunlimited)

Nach dem brutalen Rausschmiß eines Passagieres mit gültigem und bezahltem Ticket aus dem überbuchten Flugzeug von United Airlines muss sich die Fluggesellschaft einem Shitstorm im Internet stellen. Ein 69jähriger Arzt war einfach aus dem Sitz gerissen und aus dem Flugzeug geschleift worden.

Der Grund: Eine eigene Crew der Fluggesellschaft musste dringend und kurzfristig nach Louisville – und da sollten Passagiere weichen.

Hier lag der erste Fehler, denn das hätte man vor dem Boarding eleganter lösen können. Man hätte vor dem Einsteigen in die Maschine per Durchsage den Passagieren eine Umbuchung anbieten können, oder noch besser, die Crew auf einen der anderen Flüge umbuchen können. Stattdessen liess man das Boarding durchführen und forderte erst nachdem die Passagiere ihre Plätze eingenommen hatte, zum Verlassen des Flugzeuges auf.

Der Computer wählte dann zufällig Passagiere aus, die ihre Plätze gegen 800 US$ Entschädigung räumen sollten, doch nur drei Passagiere ließen sich darauf ein. Dazu muss man wissen, dass in solchen Fällen bis zu 1.350 US$ bezahlt werden können. Zuerst hatte die Airline sogar nur 400 US$ Entschädigung angeboten.

Sicher erwarten Passagiere in einer solchen Situation auch eine ordentliche Behandlung, die die Vermittlung anderer Möglichkeiten zur Erreichung des Zielortes beinhalten. Fakt ist, dass es an diesem Nachmittag und Abend sieben Flüge von United, American Airlines und Southwest gab, nach dem Abflug des Fluges UA 3411 wären es immerhin noch zwei Maschinen direkt und zwei Umsteigeverbindungen gewesen. Eine weitere Möglichkeit wäre gewesen, die Crew mit dem Auto fahren zu lassen. Bei 300 Meilen Entfernung nach Louisville hätte die Fahrzeit rund viereinhalb Stunden betragen.

Der Arzt blieb trotz Aufforderung zum Verlassen der Maschine sitzen und bestand auf seinem Platz. Er müsse dringend zu seinen Patienten in Lousville, erklärte der Mediziner. Doch diese Begründung liessen die Sicherheitsleute nicht gelten und wurden handgreiflich.

Die Videos erreichen in wenigen Stunden bereits Millionen Menschen – die Reaktionen sind scharf.

Das Hausrecht liegt bei der Fluggesellschaft, sie kann einem Passagier selbst dann die Mitreise verweigern, wenn dieser ein bezahltes Ticket hat. Rechtlich also in Ordnung, aber die Art absolut desaströs.  Er schrie, flehte und wehrte sich, was dazu führte, dass die Sicherheitsbeamten noch brutaler vorgingen.

Die Reaktion des Passagiers wirkt auch ziemlich überzogen, es entsteht beim Sehen und vor Allem Hören der Videoclips der Eindruck, dass der Mann durch sein Verhalten die Eskalation zumindest mit provoziert hat.

Andere Passagiere filmten den Vorgang und stellten sich auf die Seite des Passagieres. Und diese Videoclips gingen sofort viral. Jetzt kam noch ein weiterer Clip dazu, der den Passagier im Gesicht blutend zeigt. Er ruft „Just kill me! Just kill me!“ (Tötet mich einfach).

Weltweit zeigen sich Menschen fassungslos über das Verhalten der Sicherheitskräfte, die den Passagier mit Gewaltanwendung von seinem bezahlten Sitz entfernten und durch das Flugzeug schleiften. Der Vorgang wurde gefilmt und auf sozialen Netzwerken eingestellt. Der Clip verbreitete sich rasend schnell. Schnell werden auch Rassismus-Vorwürfe geäußert, da der Arzt „ein asiatisches Aussehen“ habe.

Der CEO der Fluggesellschaft, Oscar Munoz,  erklärt dazu:

This is an upsetting event to all of us here at United. I apologize for having to re-accommodate these customers. Our team is moving with a sense of urgency to work with the authorities and conduct our own detailed review of what happened. We are also reaching out to this passenger to talk directly to him and further address and resove this situation.

Oscar Munoz, CEO United Airlines

Ein typisches Beispiel dafür, dass Unternehmen für das Verhalten ihrer Mitarbeiter und der Behörden den Kopf hinhalten müssen.Natürlich darf so etwas nicht passieren, aber wenn es passiert ist, muss das Unternehmen mit seinen Sprechern richtig reagieren.

Der erste Kommentar des Chefs der Fluggesellschaft verschlimmert die Situation eher, weil er in seinem Statement beschwichtigend das Wort „re-acommodate“ nutzt, was in deutscher Sprache mit „neu unterbringen“ übersetzt wird. Wenn so „neu unterbringen“ aussieht… United wirbt mit dem Slogan „Fly the friendly Skies“, spätestens jetzt muss das Unternehmen zeigen, dass es diesen Slogan auch lebt.

Erstes Posting von United: Einen Tag nach dem Vorfall - und dann noch im Ton vergriffen. Das Ergebnis: 106.280 Kommentare, 12.375 Mal geteilt, 120.835 Menschen, die ihre "Wut" äußern, 5.402 finden den Kommentar lächerlich und nur 5.277 sagen "Gefällt mir".
Erstes Posting von United: Einen Tag nach dem Vorfall – und dann noch im Ton vergriffen. Das Ergebnis: 106.280 Kommentare, 12.375 Mal geteilt, 120.835 Menschen, die ihre „Wut“ äußern, 5.402 finden den Kommentar lächerlich und nur 5.277 sagen „Gefällt mir“.

In einer internen Mail an die Mitarbeiter der Fluggesellschaft, die öffentlich wurde, rechtfertigt Munoz das Vorgehen mit dem „widerspenstigen und streitsüchtigen“ Verhalten des Passagiers. Die Crew habe gar keine andere Möglichkeit gehabt, als die Security zu rufen, um bei der „Entfernung des Passagiers zu assistieren“.

Viele Kunden wollen mit einer Fluggesellschaft, bei der solche Vorfälle passieren können, nicht mehr fliegen. Das hat auch Auswirkungen auf den Aktienkurs von United Airlines, der hat zum Tiefflug angesetzt. Im Vergleich zum Vortag verloren die Aktien der Gesellschaft rund 700 Millionen US$ an Wert.

Lufthansa und Star Alliance schweigen

Auch bei United-Partner Lufthansa kann dieses Verhalten für verlorene Kunden sorgen, denn in der Star Alliance kann auch ein Partner im Code-Sharing-Verfahren die Beförderung gebuchter Passagiere übernehmen. Für die Fluggäste ist das bei Buchung nicht sichtbar, weil zum Beispiel United-Flüge dann auch eine LH-Flugnummer bekommen.

Traurig nur, dass die PR-Abteilung der Star Alliance am heutigen morgen nicht erreichbar ist und somit keine Äußerungen dazu gemacht werden. Auch die Lufthansa hält sich bedeckt und will sich zu dem Vorfall nicht äußern.

United kommuniziert erst im dritten Anlauf angemessen

Es sind hier bei United gleich mehrere Fehler zusammengekommen.Das erste Statement wirkt überheblich und nicht der Situation angemessen, das interne Mail verschärft die Situation noch. Auch daran lässt sich hinterher nichts mehr ändern. Gleichwohl muss der Unternehmenschef nun sehr schnell ein klares und mitfühlendes Statement nachschieben, die Passagiere um Vergebung bitten und den Vorgang nicht nochmal beschönigen.

Und genau das ist gerade passiert, denn nun gibt es auf der Presseseite von United Airlines USA  ein weiteres Statement von Oscar Munoz, CEO, United Airlines:

The truly horrific event that occurred on this flight has elicited many responses from all of us: outrage, anger, disappointment. I share all of those sentiments, and one above all: my deepest apologies for what happened. Like you, I continue to be disturbed by what happened on this flight and I deeply apologize to the customer forcibly removed and to all the customers aboard. No one should ever be mistreated this way.

I want you to know that we take full responsibility and we will work to make it right.

It’s never too late to do the right thing. I have committed to our customers and our employees that we are going to fix what’s broken so this never happens again. This will include a thorough review of crew movement, our policies for incentivizing volunteers in these situations, how we handle oversold situations and an examination of how we partner with airport authorities and local law enforcement. We’ll communicate the results of our review by April 30th.

I promise you we will do better.

Sincerely,

Oscar

Das klingt schon wesentlich besser und nun kann die Öffentlichkeit erwarten, dass der Vorgang untersucht und die Erkenntnisse aus der Untersuchung in eine neue Richtlinie umgesetzt werden, die dafür sorgt, dass so etwas nie wieder passiert.

Es wäre allerdings besser, ein solches Statement auch auf der Startseite der eigenen Internetpräsenz zu platzieren und nicht auf der Unterseite „Press Releases“ zu verstecken.

Immerhin gibt es auch ein neues facebook-Posting:

Das zweite Statement von United Airlines zum Vorfall schafft schon wesentlich weniger Reichweite. Nur noch 27.228 Personen reagieren, der Beitrag wird nur noch 2.934 mal geteilt. Ein gutes Beispiel dafür, dass die erste Reaktion in der Krise zählt, was später noch feingeschliffen nachkommt, erreicht die Menschen nicht mehr. Die Meinung ist gebildet, andere Themen rücken in den Fokus.
Das zweite Statement von United Airlines zum Vorfall schafft schon wesentlich weniger Reichweite. Nur noch 27.228 Personen reagieren, der Beitrag wird nur noch 2.934 mal geteilt. Ein gutes Beispiel dafür, dass die erste Reaktion in der Krise zählt, was später noch feingeschliffen nachkommt, erreicht die Menschen nicht mehr. Die Meinung ist gebildet, andere Themen rücken in den Fokus.

Hier geht es um die Kommunikation mit den Kunden und so kann man in diesem Fall den Kunden auch direkt ansprechen. Das Internet bietet die Möglichkeit, extrem schnell auf Ausnahmesituationen kommunikativ zu reagieren. United hätte das nutzen sollen.

Das zweite, verbesserte Statement von United erreicht bei Weitem nicht die Reichweite der ersten Reaktion. Interessant ist, dass das Verhältnis „wütender“ zu positiver Reaktionen wesentlich besser ausfällt. 19.731 wütenden Nutzern stehen jetzt schon über 4.000 „gefällt mir“ Reaktionen gegenüber.

Das ist ganz typisch für den Ablauf einer Krise. Dem Aufschrei und der Übertreibung folgt die Beruhigung. Nach ein paar Tagen hat die Mehrheit den Vorfall vergessen. Solche Krisen auszusitzen und auf die Abklingphase der Krise zu warten, ist dennoch völlig falsch, auch wenn genau das immer wieder passiert.

Internationale Kommunikation auf den Vorfall findet nicht statt

Auf der deutschen Seite von United Airlines ist das Statement nicht zu finden – ein weiterer Fehler, denn wenn der die Krise auslösende Vorgang in seiner Wirkung nicht lokal oder regional ist, dann muss man auch international gleich reagieren und kommunizieren. Es darf nicht passieren, dass bei den lokalisierten Internetseiten für Länder außerhalb der Vereinigten Staaten und deren Socialmedia-Accounts der Vorfall überhaupt nicht stattfindet.

Stattdessen muss das letzte Statement des CEOs mit der Entschuldigung in die jeweiligen Landessprachen übersetzt und gut sichtbar auf den Internetseiten des Konzern platziert werden.

United Airlines muss noch an der Krisenkommunikation arbeiten.

Die erste Reaktion muss sitzen und darf nicht erst kommen, wenn über die sozialen Netzwerke bereits Millionen Menschen über den Vorfall diskutieren. Dann ist die Diskussion mit allen ihren Auswüchsen, dem Spott, der Häme und den Anklagen nämlich schon gelaufen.

Deshalb muss ein größeres Unternehmen einen Alarmierungsplan für ein trainiertes Krisen-Team haben. Damit dieses Team notfalls auch nachts zusammengerufen werden kann und Reaktionszeiten deutlich beschleunigt werden.

Selbst wenn in diesem Fall neben den vielen internen Fehlern der Airline auch der Passagier seinen Anteil an der Eskalation hat, darf ein solcher Vorgang, der sich über die sozialen Netzwerke rasent schnell verbreitet, nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Unternehmen neigen dazu, Vorfälle in ihrer Wirkung falsch einzuschätzen – insbesondere, wenn sie sich im Recht sehen.

Ein international tätiges Unternehmen muss auch in der internationalen Krisenkommunikation in gleicher Geschwindigkeit wie im Heimatland reagieren.

Sofort muss eine Sprachregelung erstellt werden, die auf die häufigsten Fragen ehrliche Antworten gibt. Das sorgt auch dafür, dass nicht unterschiedlich kommuniziert wird. Denn mit der unterschiedlichen Kommunikation (zum Beispiel intern und extern) macht man sich angreifbar und unglaubwürdig. In einer solchen Krise ist immer damit zu rechnen, dass interne Mails nach draußen gehen und öffentlich werden.

Aus diesem Vorfall können Unternehmen (nicht nur United Airlines) sehr viel lernen. In einer Zeit, in der Gefühle und Stimmungen oft wichtiger sind, als die realen Fakten müssen Unternehmen viel vorsichtiger agieren und stets darauf vorbereitet sein, dass auch bei ihnen ein Vorfall passiert, der über die sozialen Netzwerke rasent schnell verbreitet wird und heftigste Reaktionen auslöst.

Rückblick: United breaks Guitars – ein Klassiker

Als Klassiker des Krisenkommunikationstrainings gilt übrigens der Fall „United Breaks Guitars“, der für die Fluggesellschaft einen Wertverlust von 180 Millionen US$ gebracht haben soll. Die Airline hatte 2009 monatelang dem kanadischen Musiker Dave Carroll den Ersatz seiner von der Gepäckabfertigung durch die Luft geschleuderten und zerstörten Gitarre verweigert. Die Band hatte dann aus nachvollziehbarer Verärgerung darüber einen Song dazu veröffentlicht, der bei Youtube schon sechszehneinhalb Millionen Mal angesehen wurde.

Der kanadische Musiker Dave Carroll, der United-Kunde ohne Rechte, hat mittlerweile zusätzlich zu dem Video ein Buch geschrieben und zahlreiche Vorträge und Fernsehauftritte gehabt, mit denen er nach eigenen Angaben 150 Millionen Menschen erreicht hat.

Wieviel billiger wäre da der Ersatz einer maßgefertigten Lieblingsgitarre und eine ordentliche Entschuldigung gekommen… Wer seine Kunden nicht ernst nimmt, kommt heute mit überheblichem Verhalten schnell in die Kritik – und was das dann auslösen kann, zeigt United breaks Guitars ganz deutlich.

 

Markus Burgdorf

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