Was Unternehmen aus dem neuen United-Fall für das Krisenmanagement lernen können

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Zeit wird zu einem bestimmenden Faktor in der Krisenkommunikation (Foto Stockunlimited)
Zeit wird zu einem bestimmenden Faktor in der Krisenkommunikation (Foto Stockunlimited)

In 2016 flogen 143 Millionen Menschen in den 1231 Flugzeugen von United Airlines. Die Flugzeuge waren zu 82,9 Prozent ausgelastet. Jeden Tag über tausend Starts, tausend Boardings und tausend sichere Landungen. Doch plötzlich bricht die Hölle für das Unternehmen aus – und unvorbereitet, wie man ist, reagiert das Management falsch.

Der aktuelle United-Fall um die gewaltsame Entfernung eines Passagieres aus einem Flugzeug zeigt Verhaltensweisen der Airline, die gerade bei größeren Unternehmen immer wieder in Krisensituationen zur Verschärfung der Lage beitragen.

Recht haben reicht nicht: David gegen Goliath – das Gefühl gewinnt

Rein rechtlich gesehen kann United Airlines einem Passagier trotz des bezahlten Tickets die Beförderung verweigern. Das führte in dem gerade aktuellen Fall dazu, dass das Management sich grundsätzlich im Recht fühlte und nur die Durchführung als Problem angesehen wurde.

Die möglichen Kunden und Passagiere sehen die Situation anders: Für sie ist schon die Verweigerung der Beförderung ein schwerer Eingriff in die Rechte des Passagiers. Und wenn dann noch Gewalt angewendet wird, um einen Passagier aus dem Flugzeug zu bekommen, wird für viele die Vorstellung unerträglich. Schließlich könnte das jedem Passagier passieren. Also auch der Person, die auf facebook oder twitter gerade das Video zu diesem Vorfall sieht. Und wenn man in dem gebuchten Flugzeug sitzt, ein bezahltes und bestätigtes Ticket hat, dann erwartet man auch die Beförderung zum Zielflughafen. Das ist die Grunderwartung, die mit dem Abschluß des Beförderungsvertrages selbstverständlich erscheint.

Hier greift nun der Konzern über beauftragte Sicherheitsleute einen Passagier an. Dass dieser sich nicht an das geltende Recht gehalten und seinen Sitz freiwillig geräumt hat, spielt für den Betrachter keine Rolle.

Der große Konzern setzt geschulte Sicherheitskräfte an, um den „kleinen“ Passagier aus dem Flugzeug zu schleifen. Schlimmer kann das Bild kaum sein.

Wiederum spielt es keine Rolle, dass der Passagier durch sein Verhalten und sein hysterisch klingendes Geschrei die ohnehin entwürdigende Situation noch weiter auflädt.

Jetzt geht es nicht darum, wer eigentlich das Recht auf seiner Seite hatte. Die schockierenden Bilder verbreiten sich über soziale Netzwerke millionenfach und alle transportieren nur diese eine Botschaft „Wenn Du mit United fliegst, kann Dir genau das passieren“.

Die Bilder stehen im krassen Widerspruch zum Slogan der Airline, die mit „Fly the friendly Skies“ um Kunden wirbt. Das ist die Werbeaussage, die Realität hat damit nichts zu tun. Es spielt auch keine Rolle, dass das ein einmaliger Vorgang ist. Es kann jedem passieren, der mit United fliegt, so wird es verstanden. Und das erzeugt Wut, Spott und Häme und regt die Kreativität der Menschen an.

Die erste Reaktion von United kommt erst, als der große Entrüstungssturm sich schon wieder legt.
Die erste Reaktion von United kommt erst, als der große Entrüstungssturm sich schon wieder legt.

Schnell erscheint Rocky mit blutiger Nase, der meldet, doch noch einen Sitz ergattert zu haben, andere erklären die Economy-Klasse bei United zum Fightclub. Wieder andere posten Slapstick-Filmschnipsel, in denen auf eine Passagierin eingeschlagen wird, nachdem sie bereits gewürgt wurde. Innerhalb nur weniger Stunden haben Millionen die Beiträge gesehen, darauf kommentiert und sie geteilt.

Sofort in die Kommunikation eingreifen

Das Unternehmen reagiert erst einmal nicht. Man wird von den Reaktionen auf den Vorgang völlig kalt erwischt und überrollt. Eben noch war alles normal, plötzlich bricht die Hölle aus. Jede Sekunde bringt neue Postings – und das weltweit.

Die Geschwindigkeit, mit der heute Krisen auftreten können, überfordert die großen Unternehmen. Da gibt es Entscheidungsprozesse und Abstimmungsmeetings, teils ist es auch nur schwer, die verantwortlichen Unternehmenslenker zu erreichen. Die sitzen vielleicht selbst gerade im Flugzeug oder haben einen wichtigen Finanztermin…

In solchen Situationen braucht es einen vorher definierten Krisen-Stab, der per Alarmierungskette auch mitten in der Nacht zusammengerufen werden kann. Hier hat jeder Entscheider auch einen Stellvertreter. Ist also einer nicht erreichbar, wird der Vertreter auf der Liste gerufen.

Alleingänge ohne vorherige Abstimmung mit dem Krisen-Stab sollte man vermeiden. Wichtig ist, dass zumindest ein erfahrener PR-Manager oder noch besser ein externer PR-Berater für Krisenkommunikation mit am Tisch sitzt und die Formulierung der ersten Reaktion übernimmt. Darin sind diese Personen langjährig geschult – und sie kennen aus ihrer täglichen Arbeit auch den Unterschied zwischen Unternehmensdenke und der öffentlichen Wahrnehmung.

Eine Reaktionszeit von einem Tag ist heute nicht mehr akzeptabel. Aufgrund der Vernetzung der sozialen Netzwerke und der mobilen Kommunikation, die die Geschwindigkeit in der Verbreitung von Nachrichten nochmals beschleunigt hat, muss das Unternehmen sofort reagieren.

Schneller und gefühlvoller reagieren

Als der CEO von United Airlines, Oscar Munoz, erstmals reagiert, ist der Höhepunkt der Krise schon überschritten. Millionen Menschen rund um den Globus haben sich bereits eine Meinung über den Vorfall gebildet, der Schaden für United Airlines ist bereits eingetreten. Manche Reise-Experten sprechen gar davon, dass der Vorfall für die Airline schlimmere Folgen haben könnte, als der Absturz eines ihrer Flugzeuge.

Das erste Statement geht dann auch noch daneben, es wirkt überheblich. Und das ist eine weitere Todsünde in der Krisenkommunikation. Es wirkt so, als habe der Verfasser die Videos von dem Vorfall nicht einmal gesehen. Und prompt gibt es dafür die Quittung: 120.000 virtuelle Ohrfeigen allein auf facebook.

Das Management hat es versäumt, sich in die Gefühlswelt der Kunden hinein zu versetzen und hat allein von der eigenen Position aus reagiert, die das Recht auf Seiten der Fluggesellschaft sieht. Doch, wie oben bereits angesprochen, zählt hier nicht, wer Recht hat. Es zählt nur der vermittelte Eindruck. Das, was bei den Kunden ankommt.

Gleiche Tonalität für verschiedene Zielgruppen

Ein zweiter Fehler passiert mit der internen Kommunikation. In der Reaktion für die Mitarbeiter klingt der CEO noch überzeugter, dass die Crew vor Ort richtig gehandelt habe. Das stimmt objektiv gesehen auch. Die Crew hat sich entsprechend der Vorgaben der Airline richtig verhalten. Es war auch nicht die Crew, die handgreiflich wurde und den Mann mit brutaler Gewalt aus dem Flugzeug geschleift hat.

Das Problem ist nur, dass das interne Email sofort in die Öffentlichkeit geht. Merke: Es ist nichts mehr intern. Das heißt, dass die interne Kommunikation in der kritischen Situation deckungsgleich sein muss mit der öffentlichen Kommunikation. Kommt es hier zu unterschiedlichen Bewertungen der gleichen Situation, wird diese Situation ausgenutzt werden. Und so war es dann auch in diesem Fall. Das interne Statement ging in die Öffentlichkeit und die Nutzer der souialen Netzwerke regten sich zusätzlich über die Doppelzüngigkeit auf.

Erst der dritte Ansatz gelang – jetzt war das Interesse an diesem Vorgang schon wieder deutlich abgeflacht. Die Abklingphase der Krise hat begonnen, nict mal 36 Stunden nach dem Start.

Erkenntnisse für alle Krisen

  1. Es zählt nicht, wer im Recht ist
  2. Es zählt, welche Botschaft bei den Menschen ankommt
  3. Die Krise von heute entwickelt sich rasend schnell
  4. Die Reaktion auf eine Krise muss dementsprechend schnell erfolgen
  5. Das Staement muss sich auf das beziehen, was die Menschen bewegt, nicht auf die reine Unternehmenssicht
  6. Die Kommunikation muss intern und extern abgestimmt erfolgen

Krisentrainings müssen die aktuelle Entwicklung bei Krisen abbilden

Krisenkommunikations-Trainer, wie Markus Burgdorf von Avandy, sehen in der Veränderung der Kommunikationsgeschwindigkeit und der Beschleunigung der Krisen eine große Herausforderung für die Unternehmen. „Wir müssen die Geschwindigkeit, mit der sich heute Krisen ausweiten auch in den Trainings berücksichtigen“, sagt Burgdorf, der bereits viele Großunternehmen im Krisenmanagement trainiert hat. „Dazu nehmen wir Szenarien, die für das jeweilige Unternehmen angepasst werden. Aber jetzt geht alles schneller – und das wird auch bei der Krisen-Simulation aufgenommen. In den Krisen-Trainings dürfen Fehler gemacht werden, denn daraus lernt das Team.“

 

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